Zugunglück in Recklinghausen Eine Stadt steht unter Schock

Ein Bahnübergang
Tragisches Unglück am späten Donnerstagabend. Zwei Kinder wurden zwischen Bahnübergang Hubertusstraße (Foto) und dem ehemaligen Bahnhof Ost am Dahlienweg von einem Güterzug erfasst. Ein Kind wurde getötet, das andere schwer verletzt. © Jörg Gutzeit
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Die wohl wichtigste Nachricht am Tag nach dem Zugunglück in Recklinghausen: Der neunjährige Junge, der am Donnerstagabend (2.2.) gegen 18 Uhr von einem Güterzug erfasst wurde, befindet sich laut Polizei nach einer Notoperation nicht mehr in akuter Lebensgefahr. Für seinen zehnjährigen Begleiter kam hingegen jede Hilfe zu spät, der Junge wurde bei dem Zusammenprall getötet. Unklar ist weiterhin, wie es zu dem tragischen Unglück kommen konnte.

Ein Streifenwagen steht quer auf einer Straße.
Zunächst sperrte die Polizei am Donnerstagabend den Bahnübergang Hubertusstraße. © Ralf Deinl

Umstände der Tragödie sind ungeklärt

Ob die beiden Kinder einen Weg abkürzen wollten oder in der Nähe des Gleisbetts spielten, das sei alles Spekulation, sagt Polizeisprecher Andreas Lesch am Freitagvormittag (3.2.) am ehemaligen Bahnhof Ost an der Dahlienstraße. Man hoffe deshalb auf Zeugen, die womöglich etwas beobachtet haben. Wo genau der Zug die Jungen erfasst hat, werde aktuell noch ermittelt. Die Ermittler erhoffen sich Erkenntnisse durch Aufnahmen, die eine Drohne bei Tageslicht von dem Streckenverlauf machte.

Großes Medienaufkommen am Bahnhof Ost

Reporter- und Kamerateams verschiedener Medien finden sich am Freitag am Bahnhof Ost ein, um sich einen Tag nach der Tragödie von der Polizei auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Ein blutverschmierter medizinischer Schlauch vor einem Zaun an den Gleisen zeugt von den schrecklichen Szenen, die sich dort am Donnerstag in der Dunkelheit abgespielt haben müssen. Auch der Güterzug, der die Kinder nach Polizeiangaben irgendwo auf der Strecke zwischen dem Hauptbahnhof Recklinghausen und dem Bahnhof Ost erfasst haben soll, steht am Freitagmittag noch auf dem Gleis. Die nicht beladenen Waggons hinter der Lok erstrecken sich nördlich bis weit über die Überführung Maybachstraße hinaus.

Einsatzort war zunächst Hubertusstraße

Der Einsatz von Polizei und Feuerwehr hatte seinen Anfang am beschrankten Bahnübergang an der Hubertusstraße genommen. Der Lokführer hatte einen Notruf wegen einer möglichen Kollision abgesetzt. Um 18.15 Uhr informierte die Feuerwehr die Polizei. Verschiedene Medien hatten ursprünglich berichtet, dass der Zug in eine ganze Gruppe Menschen gefahren sei und die Erfassten mehrere hundert Meter mitgeschleift habe. Zumindest der erste Teil dieser Information stellte sich aber schnell als falsch heraus. „Es hat immer wieder Hinweise gegeben, dass mehrere Kinder unterwegs waren“, sagt Polizeisprecher Lesch. Dazu gebe es aber bislang keine Erkenntnisse. Fest stehe jedoch, dass keine weiteren Personen von dem Zug erfasst worden sind. Der Bereich um den Bahnübergang an der Hubertusstraße war weiträumig abgesperrt worden. Einsatzkräfte suchten die Zugstrecke zunächst in diesem Umfeld mit Drohnen und Wärmebildkameras ab.

Güterzug auf Schienen.
Der Güterzug steht am Freitagvormittag noch auf den Gleisen am Dahlienweg. © Jörg Gutzeit

Lokführer bleibt körperlich unverletzt

Gegen 19.40 Uhr hatten sich die Einsatzkräfte dann Richtung Bahnhof Ost verlagert. Dort war der Zug zum Stillstand gekommen. Unterhalb der Bahnunterführung an der Maybachstraße spielten sich nach dem Zugunglück dramatische Szenen ab. Eine Frau brach zusammen und schrie nach ihrem Kind. Mehrere Angehörige hatten sich am späten Abend an der Unglücksstelle versammelt. Sie wurden von Notfallseelsorgern betreut. Dieses Angebot sei auch den eingesetzten Feuerwehrleuten und Polizisten gemacht worden, sagt Behördensprecher Lesch. Der Lokführer sei bei dem Unfall körperlich nicht verletzt worden: „Aber er steht unter dem Einfluss der Ereignisse.“ Ob der Mann schon zu dem Unglück befragt werden konnte, darüber macht die Polizei keine Angaben.

Angaben zu den Opfern erst nach Mitternacht

Erst Stunden nach dem Unglück – um kurz nach Mitternacht – hatte die Polizei gegenüber den Medienvertretern an der Maybachstraße Angaben zu den Opfern gemacht. Hintergrund war, wie in solchen Fällen üblich, dass die Eltern der Kinder vor der Öffentlichkeit von der Tragödie erfahren sollten.

Neben Polizeipräsidentin Friedrike Zurhausen und Bürgermeister Christoph Tesche hatte sich auch NRW-Innenminister Herbert Reul Donnerstagnacht zur Maybachstraße begeben. „Ich bin total betroffen“, sagte Reul. „So etwas lässt einen ja nicht ruhig. Es ist fürchterlich.“ Während Reuls Besuch kämpfte der Neunjährige im Krankenhaus noch um sein junges Leben. Am Freitag kam dann die erlösende Nachricht: Das Kind befindet sich nicht mehr in akuter Lebensgefahr. Kurz vor Reuls Ankunft hatte ein Krankenwagen die Eltern des schwer verletzten Jungen ins Krankenhaus gebracht.

Auch Recklinghausens Bürgermeister Christoph Tesche zeigte sich nicht nur vor Ort erschüttert von den tragischen Ereignissen. Dass ihm die Ereignisse zu schaffen machen, wurde auch bei einem Pressetermin am Freitagvormittag deutlich. Das sei mit das Schlimmste, was er in seiner Amtszeit erleben musste, sagte der erste Bürger der Stadt.

Die Staatsanwaltschaft Bochum hat in dem Fall die Ermittlungen übernommen und die Obduktion des getöteten Zehnjährigen für die kommende Woche angeordnet. Die vorübergehend gesperrte Bahnstrecke wurde am Freitagmittag wieder für den Schienenverkehr freigegeben.